Goldene Krönung für Paralympics-Überraschung Linn Kazmaier
Bericht: SWR Sport von INKEN PALLAS
Linn Kazmaier von der Skizunft Römerstein und Schülerin der Staudinger-Gesamtschule, mischt die Paralympics auf, obwohl sie erst 15 ist. Wie hat sie das geschafft?
Nach dreimal Silber und einmal Bronze hat Linn Kazmaier Gold über die Mittelstrecke im Langlauf errungen. Am Samstag hatte die 15-Jährige von der Skizunft Römerstein mit Guide Florian Baumann 39,5 Sekunden Vorsprung auf die Chinesin Yue Wang und hüpfte beim Zieleinlauf mit beiden Skiern in die Luft. Kazmaier ist die zweitjüngste Athletin der gesamten Spiele in Peking.
Historisches Gold für Kazmaier
“Es ist total krass und ziemlich unwirklich”, sagte Kazmaier: “Es war ein so hartes Rennen. Es freut mich riesig, dass ich so durchgekommen bin.” Zuvor hatte sie bereits zweimal Silber im Biathlon sowie je einmal Silber und Bronze im Skilanglauf geholt. “Es wäre auch kein Beinbruch gewesen, wenn es kein Gold geworden wäre. Ich habe noch so viel Zeit”, sagte sie. Kazmaier ist damit die jüngste deutsche Goldmedaillengewinnerin bei Paralympischen Winterspielen.
Kazmaier ist die Überraschung der Spiele
Schon nach ihrer ersten Medaille waren solche Schlagzeilen zu lesen: “Küken Kazmaier überrascht mit Silber im Biathlon” (Kicker), “Biathlon-Küken gewinnt Silber” (Sportbild), “Biathlon-Sensation” (Sport1), “Linn schreibt das erste deutsche Paralympics-Märchen” (RTL). Das sei “hammergeil”, strahlte dieses Küken vor Ort, also nicht wegen der Schlagzeilen, sondern vor allem, weil sie mit ihrer Leistung in Zhangjiakou Geschichte geschrieben hat. Ihr Guide Florian Baumann zog ein nüchternes Fazit: “Linn hat einfach das gemacht, was sie kann.”
Kazmaier hat eine Sehbehinderung
Linn Kazmaier wohnt in Oberlenningen, ihr Verein ist die Skizunft Römerstein (Kreis Reutlingen). Mit acht Jahren begann sie mit Langlaufen. Sie liebt schnelle Abfahrten, riskiert gerne etwas – obwohl sie gar nicht sieht, wenn sie durch die Loipe skatet: “Ich seh’ verschwommen und ein wackelndes Bild, weil ich einen Nystagmus habe, da wackeln die Augen. Ich seh’ halt alles so ein bisschen, wie wenn man falsch herum durch eine Lupe guckt, da sieht man alles ganz klein.” Offiziell heißt ihre Behinderung “Zapfendystrophie” – in Entfernung kann sie nichts mehr erkennen. Aber ihre Sehkraft von nur vier Prozent konnte sie nie ausbremsen. Wichtig, so Linn, sei das Vertrauen zu den Begleitläufern.
Kazmaier entdeckte früh Leidenschaft für Biathlon
Ihre Mutter Gabi förderte schon immer den Spaß an der Bewegung, organisierte extra Talente-Tage und sorgte für ein sportliches Miteinander von Mädchen und Jungen, denn egal ob mit oder ohne Behinderung, egal ob Kopf oder Körper, es gehe immer um Mut, Vertrauen und um neue Erlebnisse.
Als Achtjährige begann Linn mit dem Langlaufen, ein halbes Jahr später wurde das ehrgeizige und talentierte Mädchen zum ersten Lehrgang eingeladen. Neben Langlauf entdeckte sie die Leidenschaft für Biathlon, denn der Wechsel zwischen dem Tempo in der Loipe und der vollen Konzentration auf Geräusche und Körperkontrolle sei auch faszinierend.
Vivian Hösch ist ihr Vorbild
Linns Vorbild: Para-Biathletin Vivian Hösch. Die blinde Freiburgerin und das akustische Laser-Gewehr begeisterten Linn schon vor ein paar Jahren, bei dem ersten Treff auf einem Para-Ski-Talente-Tag. Damals erklärte Vivian Hösch genau, wie es funktioniert: Die speziellen Laserwaffen liegen für die Sehbehinderten in speziellen Vorrichtungen am Schießstand parat. Ein Infrarot-System verrät den SportlerInnen per Akustigsignal, wie nah sie am Ziel sind: je höher der ton, desto näher sind sie an der Scheibenmitte.
Seitdem ist Kazmaier mit Ehrgeiz und Talent dabei. Im Biathlon-Weltcup schaffte sie bisher schon die Plätze sechs und sieben, feierte erst kürzlich ihr Debüt bei der Para-Schneesport-WM in Lillehammer und überzeugte dort mit zwei sechsten und zwei neunten Plätzen. Natürlich bei diesen Paralympics in Peking sind diesmal die Russinnen nicht dabei. Doch dass sie als jüngste deutsche Athletin bei den Paralympics so durchstartet und sogar Gold gewinnt, das hat fast alle überrascht und begeistert. und Schülerin der Staudinger-Gesamtschule