Warum fällt es uns so schwer über Rassismus zu sprechen? Keynote mit Alice Hasters

Warum fällt es uns so schwer über Rassismus zu sprechen? Keynote mit Alice Hasters

„Nein, ich möchte nicht, dass du mir in die Haare fasst.“

„Nein, es reicht nicht, wenn Lehrkräfte kurz schimpfen, wenn jemand das Z- oder N-Wort sagt.“

„Nein, in den Texten, die wir in Deutsch lesen, kommen Namen wie Max, Fatma, Özgür nicht gleich oft vor.“

„Nein, ich will nicht darüber diskutieren, ob das N-Wort gar nicht so schlimm ist, weil es ja auch Leute im Fernsehen wieder sagen.“

„Nein, ich finde „Ihr Asiaten seid immer so fleißig“ ist kein Kompliment.“

„Nein, ich bin nicht unterdrückt, nur weil ich ein Kopftuch trage.“

„Nein, nur weil du gegen Rassismus bist, heißt das nicht, dass du nicht auch rassistisch handeln kannst.“

„Nein, ich habe in Geo- oder Geschichtsbüchern nicht oft Schwarze Menschen gesehen, die nicht Sklaven, Flüchtlinge oder Hungernde in Afrika waren.“

„Nein, wir finden es nicht witzig, wenn über die Pläne der AfD Witze gemacht werden.“

„Nein, es ist nicht in Ordnung, wenn Lehrkräfte bei Lärm sagen „Wir sind doch hier nicht im Busch!“

„Und nein, diese Blitzlichter schwächen uns nicht. Dass wir sie aussprechen, ist ein Zeichen von Stärke.“

Aussprechen, was rassistisch ist, eine Sprache finden für das oft als schwierig empfundene Thema „Rassismus“ – darum geht es Alice Hasters, die am Montag, 12. Mai als prominente Gastrednerin bei der Auftaktveranstaltung der „Denkfabrik rassismuskritisches Handeln in Freiburger Schulen“  spricht.

Die von Schülerinnen und Schüler der Staudinger-Gesamtschule zu Beginn des Abends zitierten Äußerungen zeigen Beispiele von Alltagsrassismus. Alice Hasters, die durch ihr 2019 erschienenes Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ bekannt wurde, sagt selbst, dass ihr Buch „leider immer noch aktuell“ ist. Hasters beobachtet, dass unsere Gesellschaft nur ungern über Rassismus spricht. Sie führt diese Vermeidung des Themas auch auf sprachliche Unsicherheiten zurück. Menschen hätten Angst, etwas Falsches zu sagen. Dies beginne bereits bei den Begrifflichkeiten: Wie bezeichnet man Menschen unterschiedlicher Hautfarbe überhaupt korrekt? Alice Hasters plädiert dafür, schlicht von „Weißen“, „Schwarzen“ und „People of Colour“ zu sprechen.

Sie verweist darauf, dass die gängige Definition von Rassismus als radikale Ideologie Rechtsgerichteter, die intentional handeln und von einer bestimmten Geisteshaltung geprägt sind, zu kurz greift. Hasters, die Rassismus als Hierarchisierung ethnischer Gruppen definiert, verdeutlicht, dass Rassismus oft unbewusst passiert, ohne böse Absicht und sich manchmal bereits in einem vermeintlichen Kompliment versteckt. Während schwarze Menschen permanent Klischees begegneten (z.B. „Ihr habt ja alle Rhythmus im Blut.“), gäbe es solche Klischees über weiße Menschen kaum.

In ihrem Vortrag weist Alice Hasters mehrfach darauf hin, dass die systemische Benachteiligung schwarzer Menschen auf einer jahrhundertelangen Tradition beruht: Über 500 Jahre Kolonialgeschichte und imperialistische Bestrebungen haben dazu geführt, dass schwarze Menschen versklavt und marginalisiert wurden. Es gelte, sich dieser Denkmuster bewusst zu werden und sie zu überwinden. Solange Max bei gleicher Fehlerzahl eine bessere Diktatnote bekommt als Murat, ist der Weg jedoch noch weit…

Gerade im Mikrokosmos Schule müssen Lehrkräfte daher ein Bewusstsein für das Thema Rassismus entwickeln. Dazu gehört, Rassismus nicht zu tabuisieren, Räume für respektvollen Austausch zu schaffen, die Nachwirkungen der rassistischen Kolonialzeit im Unterricht zu thematisieren und nicht zuletzt, die eigenen Verhaltensmuster als Lehrkraft immer wieder kritisch zu hinterfragen.

„Unser Ziel ist eine gleichberechtigte, Rassismus freie Gesellschaft“ fordert Alice Hasters abschließend. Dass die Schülerinnen und Schüler in den Eröffnungsstatements an diesem Abend den Mut hatten, „Nein“ zu rassistischen Vorfällen zu sagen, gebe ihr Mut.

„Rassismus ist ein strukturelles Problem und strukturelle Probleme benötigen strukturelle Antworten“, so Hasters. Mit der Denkfabrik „Auch du – rassismuskritisches Handeln in Freiburger Schulen“ wurden nun ein Rahmen geschaffen, in dem sich schulische Akteure begegnen und an dem Thema arbeiten können. Gleich nach Alice Hasters Vortrag konnten sich die Teilnehmenden des Abends in sechs „Denkräumen“ zu verschiedenen Aspekten austauschen und erste Ideen entwickeln. Hier gibt es einen Einblick.

Ein großes Dankeschön an Dirk Philippi, der die Denkfabrik initiiert und organisiert hat!

 
Danke für die (finanzielle) Unterstützung an:
– Innovationsfonds der Bildungsregion Freiburg (Stadt Freiburg)
– Förderkreis Staudinger Gesamtschule e.V.
– Buchhandlung josfritz
– Best Western Premier Hotel Victoria Freiburg